Alles bestens – oder die alltägliche Liebe

Im Thema Liebe, das die Autorin Yael Hedaya in dieser Geschichte von Maja und Nathan entwickelt, stellt sich immer wieder die Frage, was verbindet einen Menschen überhaupt mit einem anderen. In wie weit geht es da um Liebe, oder vielleicht eher um Liebessehnsucht oder andere Bedürfnisse? Maja, die Protagonistin, weiss sehr wohl, dass die Geschichte mit diesem stummen Nathan, mit dem sie ein Jahr lang die Wochentage durch jeden Abend schläft, den sie sonst aber kaum kennt, keine Zukunft hat. Sogar als sie herausfindet, dass er am Wochenende jeweils eine andere Frau zu sich in seine Wohnung nimmt, kann sie sich nicht richtig trennen. Stimmigerweise müsste man sagen: «es» trennte sich, als sie ihn im ersten Streit hysterisch und anklagend konfrontierte, um eigentlich die Beziehung zu retten und er sich alles schweigend angehört hatte, und dann die Wohnung stumm verliess. Wortlos wie sie die Beziehung führten, so wortlos gehen sie im Wissen, dass «es» fertig ist, wieder auseinander. „Ich fragte, ob es das gewesen sei. Er sagte: „Ja.“ Daraufhin warf er eine Handvoll zerbröselter Geranienblätter auf die Strasse, rieb die Handflächen aneinander und verkündete: „Ich gehe.“ Ich dachte: Das Letzte, was wir zusammen gemacht haben, war, Wassermelone zu essen. (S.8)

Hedaya versteht es blendend, die Figuren so sprechen zu lassen, dass man meint, man könne ihnen zuschauen und zuhören.

«Wir hatten aufgehört zu streiten. Unser erster Streit. Ich hatte ihn begonnen und vorwiegend alleine ausgefochten. Nathan hatte geschwiegen und nur etwas gemurmelt, wenn ich etwas sagte, was seiner Ansicht nicht ganz stimmte oder besonders beleidigend war. Aber es war mehr ein Vor-sich-hin-Brummeln als ein Murmeln, etwas Undeutliches, das er zum Fussboden hin sagt, den Mund voller Speichelbläschen und stiller Tatsachen.»

«Jetzt standen wir auf dem Balkon und schauten hinunter auf die Strasse. Ich fragte, ob ich eine Wassermelone aufschneiden solle, und Nathan nickte. Also ging ich in die Küche und holte die Wassermelone aus dem Kühlschrank. Ich halbierte sie, schnitt eine der Hälften in grosse Würfel, richtete diese auf einem Teller an und steckte in die obersten beiden Würfel je eine Gabel. Diesmal hatte ich eine süsse Wassermelone erwischt, was ich als gutes Zeichen wertete. Ich wusste nicht so recht, wie man sich nach einem Streit fühlen sollte; für uns war es der erste gewesen und zugleich auch der letzte. Ich stellte den Teller zwischen uns auf den die Brüstung, und wir assen schweigend, den Blick auf die Strasse gerichtet, bis Nathan meine Aufmerksamkeit auf die überfrachtete Palme lenkte.» (S.5/6)

So wie sich auch ihre Eltern nicht richtig trennen können, obwohl sie sich im Alter scheiden lassen. Und der Vater in der Folge den gegenseitigen «Betrug», wofür sie einander gebraucht haben, schonungslos aufdeckt, um dann doch wieder zusammenzuleben.

«Dwora», sagte mein Vater, «ich habe keine Lust, mir diese ganze alten Geschichten von dir noch mal von vorn anzuhören – wie du jahrelang in mich verliebt warst, wie du jeden Morgen aufgeregt in der Telefonzentrale gehockt und gelauert hast, bis ich ins Büro kam, wie du immer darauf gewartet hast, mir Telefonate durchstellen zu können, wie du innerlich gebetet hast, dass meine Frau sich eines Tages in Luft auflösen würde….Früher haben mir diese Geschichten geschmeichelt, Dwora, ich gebe es zu. Aber heute brauche ich diese Lügen nicht mehr.»……»Nein», sagte er, « du wolltest heiraten, Dwora, und das verstehe ich gut. Aber geliebt hast du mich nicht. Du warst schon zweiunddreissig, und du wolltest eine Familie. Ich verstehe das sehr gut, Dwora. Du wolltest eine Familie.» (S. 132/133)

In der Einsamkeit und im Bedürfnis geliebt zu werden, scheinen die Figuren doch etwas Gemeinsames zu haben, das sie trotz dem Schmerz und der Verzweiflung verbindet und zusammenbleiben lässt.

Klappentext

Jeden Abend nach der Arbeit ruft Nathan Maja an, dann fährt sie zu ihm, sie schlafen miteinander und verabschieden sich früh am nächsten Morgen. Jeden Abend unter der Woche. An den Wochenenden hat Nathan keine Zeit. Und so verbringt Maja diese für sich oder mit ihrer besten Freundin Nogga, die eben mit ihrem Verlobten Amir zusammengezogen ist, oder mit ihren Eltern, die sich gerade scheiden lassen. Majas Mutter ist siebenundsechzig und will nach über drei Jahrzehnten Ehe endlich mal allein sein. Maja ist dreißig und will genau das Gegenteil. An einem Sabbat-Abend steht sie unangekündigt vor Nathans Tür.

Autorin

Yael Hedaya Alles bestens   Diogenes Verlag,  1997,  ISBN 9783257300147

 

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